Nachhaltige Veränderungen erreichen wir vor allem durch Regelmäßigkeit. Was bietet sich daher also mehr an, als gleich am Morgen mit guten Gewohnheiten zu starten.
Die Idee
Eine Morgenroutine ist eine Abfolge von Handlungen, die wir nach dem Aufstehen abspulen. Die meisten Menschen folgen tagtäglich bereits einer solchen Routine, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es handelt sich dabei typischerweise um etablierte Gewohnheiten wie Wiegen, Zähneputzen, Duschen, der Morgenkaffee oder die täglichen Nachrichten auf dem Smartphone, TV oder aus der Zeitung. Wir müssen über diese Handlungen nicht nachdenken oder uns dazu motivieren – wir machen es einfach.
Bild von alan KO
Die Idee: Wir gestalten den Ablauf unserer Morgenroutine bewusster und erweitern sie um zusätzliche Handlungen, die einen konkreten Nutzen für uns haben.
Vor allem möchten wir damit unseren langfristigen Zielen mit jedem Tag etwas näherkommen. Als neuer Teil der Morgenroutine wird daher häufig Sport, ein ausgewogenes Frühstück, Meditation, Lesen, Schreiben oder die Arbeit an unseren wichtigen/privaten Projekten gewählt. Wir starten dadurch gesünder und positiver in den Tag oder setzten unser hohes Energieniveau in den ersten Stunden des Tages gezielt ein.
Morgenroutine = Gewohnheit
Ausgehend von Studien des MIT wurden in den letzten Jahren umfangreiche, wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Gewohnheiten funktionieren und wie wir diese für uns nutzen können. Für die Morgenroutine genügt ein grundlegendes Verständnis des »Habit Loop«.
Eine Gewohnheit wird durch einen Auslöser »Cue« angestoßen. Ist die Gewohnheit fest etabliert genügt dies bereits, um das Verlangen »Craving« nach der Belohnung »Reward« zu erzeugen. Dies führt dazu, dass wir die damit verbundene Handlung »Action« durchführen, um den »Reward« zu erhalten.
Der »Habit Loop« ist so tief in uns verankert, dass es bei einer etablierten Gewohnheit wenig bis keine Willenskraft oder Motivation benötigt, um die Handlung auszuführen. Selbst wenn sie vielleicht anstrengend oder unangenehm ist: Sobald der »Cue« das »Craving« auslöst, führen wir die »Action« nahezu automatisch aus.
Für unsere Morgenroutine nutzen wir vorhandene Gewohnheiten als »Cue« für unsere neuen, gewünschten Handlungen. Bilden wir eine Kette aus mehreren Gewohnheiten, so spricht man von »Habit Stacking«.
Einzelne, neue Gewohnheiten zu verankern oder längere Ketten aufzubauen ist nichts, was von heute auf morgen geschieht. Hat man es allerdings einmal geschafft, sind die Veränderungen umso eindrucksvoller – mehr dazu am Ende des Artikels.
Ein praktisches Beispiel
Der Auslöser
Als Beispiel nehmen wir den Klassiker: Wir möchten täglich Sport machen. Um dies in unsere Morgenroutine einzubetten, ist es zunächst notwendig den »Cue« zu definieren. Dies kann beispielsweise sein »Nachdem ich aus dem Bett aufgestanden bin« oder »Nachdem ich das Geschirr meines Frühstücks in die Spülmaschine geräumt habe«.
Die Handlung
In den ersten Wochen ist das Ziel, den »Cue« fest zu etablieren und mit einer einfach machbaren »Action« zu verknüpfen. Beim Sport-Beispiel heißt dies, dass wir nicht sofort mit einem intensiven 30-minütigen Ganzkörper-Workout starten. Ich empfehle dir für den Anfang mit 2–5 Minuten und einigen kurzen, einfachen Übungen zu beginnen. Falls du gar keine Idee hast: Lass dich einfach auf YouTube von Videos zu »2 Minute Workout« oder »2 Minute Yoga« inspirieren.
Die Belohnung
Als letztes legen wir den »Reward« fest. Beim Sport-Beispiel hat sich ein gut sichtbarer Jahreskalender bewährt, auf dem du den erfolgreichen Sport-Tag mit einem großen »X« durchstreichst. Die Belohnung besteht somit aus der zunehmend länger werdenden Kette aus kleinen Erfolgen und dem damit verbundenen guten Gefühl des Fortschritts. Ein schmackhaftes und gesundes Frühstück im Anschluss kann ebenso positiv bestärken.
Die vollständige Definition
Nachdem wir die 3 Teile festgelegt haben, halten wir dies entsprechend schriftlich fest. Typische Beispiele wären hier: »Nachdem ich aus dem Bett aufgestanden bin, mache ich im Schlafzimmer auf der Gymnastikmatte vor meinem Bett mindestens 10 Liegestütze und 30 Sit-ups. Anschließend markiere ich den erfolgreichen Tag am Kalender an der Wand mit einem X und gehe frühstücken«
Oder falls wir zuerst frühstücken wollen: »Nachdem ich das Geschirr meines Frühstücks in die Spülmaschine geräumt habe, gehe ich in meinen Arbeitsraum, starte meinen Fitnesstracker und mache mindestens 5 Minuten Yoga auf der Yogamatte vor meinem Schreibtisch. Anschließend stoppe ich meinen Fitnesstracker und entspanne kurz auf meinem Sofa während ich Musik höre.«
Wissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass wir durch detaillierte und realistische Planung die Wahrscheinlichkeit zur Umsetzung des Plans erhöhen können. Unsere Regel sollte daher klar ausformuliert, niedergeschrieben und so konkret wie nur möglich sein. In der Anfangszeit bietet es sich an, die Gewohnheitsdefinition gut lesbar dort aufhängen, wo auch unser »Cue« auslösen soll – sozusagen als Erinnerungsstütze.
Und wie setzte ich es um?
Zu Beginn ist es hilfreich, eine »Inventur« deiner bestehenden Gewohnheiten zu machen. Du listest dazu alles auf, was du nach dem Aufstehen in welcher Reihenfolge ausführst. Nimm beispielsweise einen kleinen Notizblock oder das Smartphone und schreibe einige Tage am Morgen Schritt für Schritt nieder, was du gerade tust. Manchmal kommt es vor, dass sich einzelne Tage voneinander unterscheiden. Dies ist vollkommen in Ordnung – wichtig ist hier vor allem herauszufinden, was nahezu immer vorkommt. Anziehen, Waschen und Zähneputzen ist wohl bei den meisten etwas, was sie vor dem Verlassen des Hauses erledigen.
Als Nächstes legst du fest, was du erreichen möchtest und wie die notwendige »Action« dazu aussieht: Lesen, Sport, Meditieren, Arbeiten – was es auch immer ist, es sollte möglichst klar definiert sein. »In meinem Arbeitszimmer 30 Minuten am Rechner in Word an einem Blogartikel schreiben« ist eine gute Definition, während »Am Blog arbeiten« zu oberflächlich und ungenau wäre.
Nun gilt es, den richtigen »Cue« zu finden und damit die neue Gewohnheit in deine bisherige Morgenroutine einzufügen. Auch hier ist eine möglichst klare und eindeutige Festlegung wichtig. Du solltest den Zeitpunkt dabei so wählen, dass du mit einem möglichst geringen Widerstand oder Ablenkungen rechnen kannst. Hast du beispielsweise Kinder im Haus, so ist es eher unwahrscheinlich, dass du 10 Minuten am Stück in Ruhe meditieren kannst, während der Nachwuchs bereits wach ist und lautstark das Haus unsicher macht.
Zuletzt steht noch der »Reward« aus. Für mich hat sich alles bewährt, wodurch ich meinen täglichen Fortschritt klar vor mir sehen kann: Der bereits oben erwähnte Kalender, bei dem ich jeden erfolgreichen Tag durchkreuze oder meine Excel-Tabelle in der ich jeden Tag die Zahl der geschriebenen Worte eintrage – um nur zwei Beispiele zu nennen.
Bild von Brooke Lark
Andere Belohnungen wie eine entspannende Dusche, ein schmackhaftes Frühstück oder auch einfach 5 Minuten entspannt auf dem Sofa sitzen, können ebenfalls funktionieren – Hauptsache es ist etwas, was sich für dich gut anfühlt. Nur eine Sache solltest du dabei immer berücksichtigen: Der »Reward« sollte wie auch »Cue« und »Action« bewusst gewählt werden und im Einklang mit dem sein, was du erreichen möchtest. Ist es dein Ziel durch Sport abzunehmen, ist es offensichtlich nicht sinnvoll als Belohnung anschließend eine halbe Tafel Schokolade zu essen.
Die fertige Definition deiner neuen Gewohnheit schreibst du gut lesbar in der Form »Cue« ⇾ »Action« ⇾ »Reward« nieder und platzierst Sie in der Nähe des Punktes, wo der »Cue« ausgelöst wird. Dies könnte beispielsweise die Schlafzimmertür sein, wenn es um den Sport direkt nach dem Aufstehen geht.
Lebensverändernde Auswirkungen
Als ich vor einigen Jahren (Anfang 2018) damit begonnen hatte, meine Morgenroutine aktiv zu gestalten hätte ich nicht gedacht, welche massiven Auswirkungen dies haben würde. Früher bin ich meist irgendwann nach 08:00 aufgestanden und nach den notwendigsten Aktionen (Anziehen, Zähneputzen etc.) direkt ins Büro gefahren. Dinge wie Sport oder meine privaten Projekte waren mehr oder weniger Feierabendtätigkeiten, die auch gerne einmal ausfielen.
Ich begann damals mit 10 Minuten täglicher Meditation und 5 Minuten Sport und musste dazu lediglich 15 Minuten früher aufstehen. Inzwischen bin ich spätestens um 06:00 auf den Beinen, meditiere, treibe Sport, lese, schreibe für meinen Blog, esse ein ausgewogenes Frühstück und verfolge eine monatlich wechselnde Herausforderung – beispielsweise jeden Tag ein Bild zeichnen. All dies habe ich durch die schrittweise Anpassung meiner Morgenroutine über die letzten Jahre etablieren können.
Der Effekt: Ich starte mit einem sehr positiven Gefühl in meinen Arbeitstag, bin fit wie ich es noch nie war und schaffe Dinge (bei mir in erster Linie RISE-Themen) neben meiner normalen Arbeit, über die ich damals immer gesagt habe: »Das würde ich gerne machen, wenn ich einmal Zeit habe«.
Wenn wir etwas Tag für Tag über Monate bis Jahre hinweg machen, summiert sich dies mit der Zeit auf eindrucksvolle Weise auf – auch wenn sich die tägliche Routine eher unspektakulär anfühlt. Die Veränderungen und Auswirkungen vollziehen sich zunächst schleichend, bis wir irgendwann bemerken, wie weit wir eigentlich gekommen sind.